Allgemeine Themen zum Erdbeben in Nepal und dem Himalaya

Warum ist der Himalaya so Erdbeben-gefährdert?

Die indische Platte schiebt sich weiter unaufhörlich nordwärts unter die Eurasische Platte. Je nach Veröffentlichung und Gebiet werden Geschwindigkeiten zwischen 2 und 5 cm pro Jahr angegeben. Die kann man heute sehr gut mit GPS Messungen nachweisen. Das scheint auf den ersten Blick eher langsam führt aber in einem Jahr zu einem potentiellen Versatz von 2-5 m. Allerdings können die beiden Platten nicht nicht so ohne weiteres übereinander gleiten, denn sie bestehen ja beide aus festem Gestein. So verhaken sie sich erstmal im Bereich des Himalaya und  werden im nördlichen Teil zusammengequetscht oder wölben sich etwas auf. Wenn dann die aufgestaute Spannung zu groß wird, brechen die Platten urplötzlich und verrutschen stoßweise, wobei auch heftige Verwerfungen nach oben oder unten entstehen können. Dabei reißen die Platten meist an bestehenden früheren Bruchkanten wie ein Reißverschluss über eine längere Strecke auf.  Beim Gorkha Erdbeben waren das ungefähr 160 km in südöstlicher Richtung. Das zweite Beben war dann am östlichen Rand der Bruchlinie. Nach einem Beben gibt es in der Regel noch 1-3 Monate Nachbeben, die aber immer weniger stark als das eigentliche Beben sind.

Darstellung des aufgelaufenen Versatzpotentials in m (Höhe der Säulen) und der möglichen Magnitude (Zahl unten in der Säule) von  Roger Bilham und Kalli Wallace 2005 http://cires1.colorado.edu/~bilham/HimalayanEarthquakes/KangraCentenaryFinal.htm Diese Graphik wurde allerdings noch vor dem Kaschmir Erdbeben 2005 erstellt und stimmt jetzt nach dem Gorkha Beben noch weniger.  Denn mit einem Großbeben verrutschen ja Segmente der Platten und dann verringert sich das Potential dort dementsprechend.  Das Kathmandutal liegt im schwarzen Punkt oberhalb der Zahl 1833 in der Mitte des Bildes. Das Epizentrum des Gorkha Erdbebens würde am rechten östlichen  Rand des dicken mittleren Balkens mit der Zahl  M 8.6 liegen. Wie man sieht war 2005 noch in langen Bereichen genug Verschiebungspotential für sehr starke und zerstörerische  Erdbeben.

Roger Billham potential slip in himalaya 2005

Figure 5.  Urban population and slip potential in the Himalaya, based on elapsed time since the last major earthquake in various sectors along the arc since 1400 and the GPS-derived convergence rate across the Himalaya. The height of each trapezoid is proportional to the current slip potential in meters, and the numbers refer to the potential size of Mw should the same segment length slip as is currently believed to have occurred in the last earthquake. The slip potential in the eastern Himalaya is tentative since the effects of the 1897 Shillong earthquake are uncertain and we know of no great historical earthquakes in Bhutan with the exception of a possible event in 1713 (Ambraseys and Jackson, 2003)

Noch ist nicht ganz klar, Wieviel der aufgestauten Energie tatsächlich durch die doch recht geringe Verschiebung von ca 4 m beim Gorkha Erdbeben 2015 aufgebraucht worden ist. Es bestehen noch südlich von Kathmandu voraussichtlich große Spannungen im Untergrund und im Westen von Nepal bis hin zum Himal Pradesh in Indien gibt es eine ganze Region wo schon länger kein großes Erdbeben mehr stattgefunden hat. Hier könnte sich das Potential für ein sehr starkes Beben aufgebaut haben, welches wesentlich stärker als das Gokhabeben von 2015 ausfallen würde. siehe hierzu den Artikel in der SZ http://www.sueddeutsche.de/wissen/erdbebenrisiko-im-himalaya-warten-auf-den-grossen-knall-1.2371619

 

Warum sind die Häuser  im Kathmandutal besonders erdbebengefährdert?

Während der letzten Eiszeit war das ganze Kathmandutal ein großer Binnensee in dem sich große Schichten von Schwemmsedimenten anreichernden. Dieser Schwemmboden bildet nun den Grund auf dem die Häuser gebaut werden. Leider haben diese Schwemmsedimente bei einem Erdbeben zwei sehr ungünstige Eigenschaften, die die Zerstörungskraft eines Erdbebens wesentlich verstärken können.

1) Der Wackelpuddingeffekt. Die Schwemmsedimente sind in ihrer Struktur nicht stark verfestigt und können plastisch mitschwingen. Das führt dazu dass der Boden noch deutlich länger nachschwingen kann, als die eigentlichen Erdstöße dauerten. Fatalerweise ist die Dauere der Erdbewegungen von sehr großer Bedeutung für die Zerstörungen an Gebäuden. Die Stoßwellen können auch von den festeren Steinhängen im Untergrund zurückgeworfen werden und sich dann mit den „Pudding“schwingungen stellenweise wie im einem Brennglas zu noch viel zerstörischeren Gesamtschwingungen zu vereinigen. Den Effekt konnte man gut inder kleinen Stadt Kirtipur sehen. Das alte Zentrum, welches auf hartem felsigen Untergrund steht, hat sowohl das 1934 wie das aktuelle mit nur geringen Schäden überstanden, während in den neueren Stadtvierteln, die sich auf dem weichen normalen Kathmandutalboden befinden, auch viel Gebäude und Schulen eingestürzt sind. http://nagariknews.com/photo-feature/story/37564.html

2) Der Effekt der Erdverflüssigung.

In den Schwemmsedimenten werden die einzelnen Partikel (Sand/Schluff/Ton) mehr oder weniger in einem Verbund zusammengehalten und in den kleinen Hohlräumen dazwischen befindet sich Luft oder Wasser. Der Boden ist allerdings fest genug, so dass man darauf selbst hohe Häuser bauen kann. Bei einem starken und längeren Beben werden dann aber diese kleine Partikel kurzfristig aus ihrem Verbund gerüttelt und das Wasser und die Luft werden aus dem Gefüge herausgepresst. Der Boden sackt zusammen und wird vorübergehend in den oberen Schichten zu einem plastischen Brei. Es gibt Berichte wie aus solchen Böden bei einem Erdbeben das Wasser regelrecht herausspritzte. Das teuflische ist, dass dann auch absolut Erdbeben stabile gebaute Häuser einfach im Untergrund absacken und umkippen können. Desto höher und schmaler ein Haus ist, desto gefährdeter ist es. Und da kommt man dann bei den siebenstöckigen Häusern mit oft unter  5 x 10 m Grundfläche schon ins Grübeln.

Die Erdverflüssigung ist ganz wesentlich von der Länge und Stärke des Bebens abhängig. Das große Erdbeben von 1934 war sowohl stärker als auch länger und man hat in großen Teilen von Nepal und Indien ausgedehnte Flächen mit ausgeprägter Erdverflüssigung gesehen. Dies ist glücklicherweise beim Erdbeben von 2015 nur an wenigen Stellen passiert wo dann auch mehrere neue Häuser kollabiert sind. Siehe hierzu den folgenden Artikel http://nepaliengineer.com/liquefaction-in-kathmandu-earthquake-2015-photos/ . Wäre das Erdbeben von 2015 genauso stark wie das 1934er gewesen, wäre der Ausgang wohl katastrophal gewesen. Denn dann wären wohl reihenweise die mehrstöckigen Gebäude umgestürtzt.

Lehmmörtel: Fluch und ein ganz klein wenig Glück

Im Kathmandutal

Einer der Gründe warum so viele Tempel und historische Häuser im Kathmandutal zusammengestürzt sind liegt an dem früher verwendeten Lehmmörtel. Es ist nachvollziehbar, dass die Häuslebauer sich nicht aus dem fernen Indien Zementsäcke über das 3000 m hohe Mahabharatagebirge herschleppen ließen, denn natürlich hatten ja auch schon Generationen vor ihnen ihre Häuser prima mit Lehmmörtle errichtet. Der Lehmmörtel bestand überwiegend aus Lehm dem Kalk und ein bisschen Linsenmehl beigefügt worden war.  Das Linsenmehr führte zu einer besseren Klebeeigenschaft und auch hiesigen Lehmputzen fügt man organische Zellulose zu diesem Zweck bei. Mit diesem Mörtel konnte man selbst hohe Gebäude errichten. So stand es noch mit einigem Stolz an dem 61 m hohen Darahara Turm /Bimsen Tower.  Der war allerdings schon einmal bei letzten großen Erdbeben in 1934 zusammen gebrochen. http://de.wikipedia .org/wiki/Dharahara-Turm .

Leider zerbröselt  dieser Lehmmörtel richtiggehend wenn ein Erdbeben stattfindet und haftet nicht ausreichend den Ziegeln. Wenn man sich die Bilder der Schutthaufen ansieht, sieht man viele intakte Ziegel, die nur einmal kurz abbürsten muss und sie sehen wieder wie neu aus. Auf den Filmen sieht man auch, wie die Mauern nicht als Ganzes umstürzen sondern einfach in sich zusammenfallen. Es ist kennzeichnend, dass viele der Häuser, die nach dem Erdbeben von 1934 neu, aber mit dem gleichen verfluchten Lehmmörtel gebaut worden waren, auch diesmal wieder zusammengestürzt sind. Die moderneren Gebäude mit Zementmörtel haben dagegen überwiegend standgehalten. Einen ganz kleinen Vorteil hat aber der Mörtel. Da die Tempel und Häuser mehr oder weniger sacht in sich zusammengesunken sind, sind die meisten Backstein, Holzbalken und geschnitzten Holzteile ganz geblieben und stehen damit für den Wiederaufbau zur Verfügung.

Auf dem Lande

Die Dörfer waren schon immer weit von jeder Straße entfernt den Straßen wurden überhaupt erst seit 2000 in die entlegenen Regionen gebaut. Und keiner schleppt dann in mehreren Tagesmärschen Zement herbei! So wurden auch hier die Mauersteine einfach mit Lehm verfugt. Wenn man die Bilder sieht, kann man erahnen wie die Hausmauern auch hier einfach zerbröselt sind und jetzt als schmutziger Erdhaufen mit vielen steinen dort liegen, wo vorher ein Haus stand. Besonders gefährlich wurde es für die vielen Häusern, deren Dächer mit zentnerschweren Steinplatten gedeckt waren. Anscheinend war aber glücklicherweise für viel Bewohner gerade noch Zeit aus ihrem Haus zu rennen, denn in vielen totalzerstörten Dörfern sind glücklicherweise wesentlich weniger Leute getötet worden, als man es bei so einem Erdbeben normalerweise erwartet hätte. In Thulo Sybru im Langtang sind über 200 Häuser vollständig zerstört worden und trotzdem mussten nur drei Tote beklagt werden. Ich habe bei allen Bildern weniger auf die Zerstörung geachtet sondern mir vor allem die sichtbaren Holzbalken angesehen. Und auch hier waren die überwiegend ganz geblieben. Das ist für den Wiederaufbau extrem wichtig. Dann ab Mitte Juni beginnt der Monsun mit tagelangen Dauerregen und schon jetzt regnet es häufig und stark. Die Menschen werden sich deshalb unbedingt schnell ein kleines Haus als einen Notbehelf errichten müssen, ohne auch  nur im Geringsten auf externe Hilfe rechnen zu können.  Zum Glück können sie dafür zum großen Teil die ursprünglichen Materialien verwenden können und diese befinden sich sogar schon so zu sagen direkt auf der Baustelle. Denn es wäre illusorisch neue Holzbalken und Steine herbeizuholen, jetzt ist die Hauptzeit für die Feldarbeit und die Menschen müssen ihre Felder bestellen, da sie sonst bald nichts mehr zu essen haben würden. So werden sie in den nächsten Wochen kleine ebenerdige Häuschen  aber mit regendichtem Dach errichten , ihre Felder bestellen und dann ab November, wenn die Ernte vorbei ist mit dem eigentlichen Wiederaufbau beginnen.

Erdsackhäuser: eine geniale Bauweise um schnell und mit ganz geringen Kosten die Schulen in Nepal wieder erdbebensicher aufbauen zu können. Erdsack Bauweise